Zum Inhalt springen

Artikel: Nilo und der Rhythmus der Langsamkeit

Nilo und der Rhythmus der Langsamkeit
Sir Chillbert

Nilo und der Rhythmus der Langsamkeit

Heute war einer dieser Schultage, an denen Nilo alles zu viel war.
Die Kinder redeten durcheinander, Stifte klackerten, Stühle quietschten.
Alle schienen schnell zu wissen, was zu tun war – nur Nilo nicht.
Seine Gedanken liefen anders, leiser, langsamer.
Und plötzlich schämte er sich dafür.

Er legte den Kopf auf die Arme und wünschte sich, er könnte einfach weg.

Da hörte er ein leises, behäbiges Gähnen.
Etwas Weiches strich ihm über den Rücken, und eine warme, flauschige Stimme murmelte:
„Heeey, kleiner Wirbelwind im Kopf … vielleicht brauchst du ’ne Pause.“

Als Nilo aufsah, sah er Sir Chillbert, das braun-beige Faultier mit den langen Umarm-Armen und dem wuscheligen Fell.
Seine halb geschlossenen Augen funkelten sanft, als würde er Nilo schon lange kennen.

„Willst du mit mir nach Snoozetopia kommen?“, fragte Sir Chillbert gemütlich.
„Da ist alles ein bisschen … naja, langsamer.“

Bevor Nilo antworten konnte, begann die Luft um ihn zu glitzern.
Die Geräusche der Schule wurden leiser, weicher – wie Watte, die über Wasser schwebt.
Dann stand er mitten in einem Wald aus schwebenden Blättern, die so langsam fielen, dass man die Zeit zwischen ihren Bewegungen sehen konnte.

„Willkommen in meinem Lieblingsort,“ sagte Sir Chillbert. „Hier zählt kein Takt, keine Uhr, kein ‚schneller‘ oder ‚richtig‘. Nur dein eigenes Tempo.“

Er zeigte auf eine Reihe goldener Blätter, die durch die Luft glitten.
„Lass uns das Faultier-Spiel machen. Beweg dich so langsam wie du kannst – und fühl, wie die Welt auf dich wartet.“

Nilo hob den Arm.
Langsam, ganz langsam, bis er die Bewegung richtig spüren konnte – den Wind, die Muskeln, das Gewicht seiner Hand.
Sir Chillbert tat es ihm nach, und beide bewegten sich, als tanzten sie im Takt der Ruhe.

„Siehst du?“ flüsterte Sir Chillbert. „Du bist kein bisschen falsch, weil du anders fühlst. Du bist einfach wie diese Blätter – sie fallen nicht gleichzeitig. Jeder hat seinen eigenen Weg.“

Nilo lächelte. Die Scham war verschwunden, als hätte sie sich in Sonnenlicht aufgelöst.
Er spürte sich leicht, ruhig, und doch ganz lebendig.

„Wenn du wieder in der Schule bist“, sagte Sir Chillbert sanft, „und alles zu schnell wird – schließ kurz die Augen und finde deinen Rhythmus. Die Welt kann warten, Nilo.“

Ein letztes goldenes Blatt schwebte an ihnen vorbei – und als Nilo es berührte, war er zurück im Klassenzimmer.
Die Geräusche waren dieselben, doch etwas in ihm hatte sich verändert.
Er atmete ruhig, bewegte sich gemächlich, so wie es sich für ihn richtig anfühlte.

Und irgendwo tief in seinem Herzen hörte er Sir Chillberts schläfrige Stimme:
„Langsam ist nicht weniger. Langsam ist wundervoll du.“